Beschluss: Beschlossen

Abstimmung: Ja: 9, Nein: 0, Enthaltungen: 0

Beschlussvorschlag:

 

Der Antrag der SPD-Fraktion auf Ausweisung von Fahrradstraßen wird unter Berücksichtigung der Ausführungen der Verwaltung als erledigt angesehen.


Sachverhalt:

 

Mit Datum vom 19.10.2020 beantragt die SPD-Fraktion die Einrichtung von Fahrradstraßen zur Anbindung der südöstlich entstehenden Wohngebiete an das Wiesmoorer Zentrum. Hierzu soll die Verwaltung in einem ersten Schritt die rechtlichen Rahmenbedingungen aufzeigen und Möglichkeiten zur Einrichtung von Fahrradstraßen vorstellen. Begründet wird dieser Antrag u.a. damit, dass dem Fahrrad unter dem Aspekt des Klimaschutzes künftig ein höherer Stellenwert einzuräumen sei und die neu entstehenden Wohnbaugebiete südlich des Amselweges über Fahrradstraßen an das Zentrum angeschlossen werden sollten.

 

Die Verwaltung nimmt hierzu wie folgt Stellung:

 

a)       Rechtsgrundlage

Grundlage für die Anordnung einer Fahrradstraße ist § 45 Abs. 1 bzw. § 45 Abs. 1 b Nr. 5 StVO, jeweils unter Berücksichtigung des § 45 Abs. 9 Satz StVO. Im Verkehrszeichenkatalog wird hierzu ergänzend aufgeführt, dass anderer Fahrzeugverkehr als Radverkehr eine Fahrradstraße grundsätzlich nicht benutzen darf, es sei denn, dieses ist durch Zusatzzeichen erlaubt. Für sämtlichen Fahrverkehr gilt eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h, wobei der Radverkehr weder gefährdet noch behindert werden darf. Das Nebeneinanderfahren mit Fahrrädern ist erlaubt, im Übrigen gelten die allgemeinen Vorschriften über die Fahrbahnnutzung und über die Vorfahrt.

 

In der ergänzenden Verwaltungsvorschrift zur StVO heißt es zur Fahrradstraße:

Fahrradstraßen kommen nur dann in Betracht, wenn der Radverkehr die vorherrschende Verkehrsart ist (1. Alt.) oder dies alsbald zu erwarten ist (2. Alt.).

 

1. Alt. (Radverkehr ist die vorherrschende Verkehrsart):

Zur Erfüllung dieser Voraussetzungen ist durch Verkehrserhebungen nachzuweisen, dass der Radverkehr bereits die vorherrschende Verkehrsart auf den Straßen, welche zu Fahrradstraßen ausgewiesen werden sollen, ist. Für eine entsprechende Lenkung des verdrängten Kraftfahrzeugverkehrs ist Sorge zu tragen. Sinnvoll ist daher vor Einrichten von Fahrradstraßen eine zusammenhängende Planung für ein Radverkehrsnetz vorzunehmen.

 

2. Alt. (Es ist alsbald zu erwarten, dass der Radverkehr die vorherrschende Verkehrsart wird):

Um diese Vorgabe zu erreichen, bedarf es einer grundsätzlichen Radverkehrsplanung. Rechtsgrundlage für diese verkehrsplanerische Maßnahme sind § 45 Abs. 1 b Nr. 5 und Abs. 9 Satz 1 StVO, wonach die Straßenverkehrsbehörden die notwendigen Anordnungen zur Unterstützung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung treffen. Es muss nach Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes hierzu ein Verkehrskonzept des Straßenbaulastträgers vorliegen, dass hinreichend konkret ist, durch das zuständige Gemeindeorgan beschlossen wurde und soweit es die Veränderung von Verkehrsstraßen und Strömen zum Inhalt hat, den Erfordernissen  einer gerechten Abwägung aller Verkehrsteilnehmer genügen.

Die einfache Bekundung der Gemeindegremien, eine Fahrradstraße einzurichten oder die einfache Anordnung der Straßenverkehrsbehörde zur Aufstellung entsprechender Beschilderungen und allein damit die Voraussetzungen der zweiten Alternative zu erfüllen, reichen hierfür rechtlich auf keinen Fall aus.

 

b) Bauliche Maßnahmen

Beschaffenheit und Zustand der Fahrradstraßen sollten so sein, dass eine Benutzung durch den Radverkehr auch zumutbar ist. Fahrradstraßen sollten daher über den gesamten Streckenzug möglichst einheitlich gestaltet sein. Im Zuge einer Fahrradstraße befindliche Knotenpunkte sollten durch geeignete Aufpflasterungen so gestaltet sein, dass in der Fahrradstraße zugelassener kreuzender Kfz-Verkehr nur mit mäßiger Geschwindigkeit fahren kann. Beginn und Ende einer Fahrradstraße sollten möglichst durch bauliche Gestaltungselemente wie Aufpflasterungen oder Fahrbahnverengungen deutlich gemacht werden. Ebenfalls ist die Aufbringung von entsprechenden Fahrbahnpiktogrammen an Kreuzungen und Einmündungen mit in beide Fahrtrichtungen weisenden Pfeile empfehlungswert. Die wirksamste Maßnahme sind darüber hinaus physische Barrieren, die das ein-, aus- oder durchgehende Befahren mit Kfz an bestimmten Stellen verhindern sollen. Die Breite der Fahrgasse für die Verkehrssicherheit in Fahrradstraßen, vor allem bei zugelassenem Kfz-Verkehr spielt eine besondere Rolle. Bei dessen Ermittlung sind auch am Fahrbahnrand abgestellte Fahrzeuge mit zu berücksichtigen. Soll gewährleistet werden, dass zwei nebeneinander fahrende Radfahrer (dieses ist nach der Definition der Fahrradstraße zulässig) einem Pkw sicher begegnen können, so ist eine Fahrgassenbreite von mindestens 4,60 m zuzüglich der notwendigen Sicherheitsabstände zu ggf. parkenden Fahrzeugen erforderlich.

 

c) Zulassung anderer Verkehrsarten

Die Entscheidung, andere Verkehrsarten zuzulassen, bedarf einer Ermessensausübung. In der Ermessensabwägung ist insbesondere zu berücksichtigen, dass durch die generelle Zufahrtserlaubnis für Kraftfahrzeuge die bevorrechtigte Fahrzeugart Radverkehr gefährdet werden könnte. Hierdurch würde das Ziel, den Radverkehr zur Hauptverkehrsart werden zu lassen, wohlmöglich nicht erreicht. Eine generelle Zufahrtserlaubnis für Kfz sollte daher möglichst vermieden werden. Sofern sie zur Erschließung anliegender Straßen unbedingt notwendig ist, sollte sie ausschließlich auf Anlieger beschränkt sein.

Kann eine Freigabe nicht vermieden werden, so ist der in der Fahrradstraße nutzende Kfz-Verkehr stets zu minimieren. Für den Durchgangsverkehr müsste die Verkehrsführung so unattraktiv sein, dass dieser die Fahrradstraße meidet. Beim Ausschluss einer Verkehrsart durch Beschränkung auf den Anliegerverkehr ist für die benachbarten Straßen aber zu bedenken, dass hierduch eine Verlagerung der Straßenverkehre stattfinden wird, was auch in den dortigen Straßen für Konflikte sorgen kann.

 

d) Fazit

Grundsätzlich sind Fahrradstraßen ein gängiges Mittel zur innerstädtischen Radverkehrsplanung und können zur Verkehrssicherheit und zur Attraktivierung des Radverkehrs beitragen.

Wie dargestellt, ist die rechtssichere Ausweisung von Fahrradstraßen an die Erfüllung mehrerer gesetzlicher Vorgaben gebunden. Werden diese nicht beachtet, setzt sich die anordnende Behörde (Stadt Wiesmoor) der Gefahr von verwaltungsrechtlichen Klagen oder von aufsichtsbehördlichen Maßnahmen der Straßenverkehrsbehörde des Landkreises Aurich mit der Folge der Aufhebung einer verkehrsbehördlich angeordneten Fahrradstraße aus. Dieses ist vor geraumer Zeit in einer Kommune der Region geschehen, Zahlreiche verwaltungsgerichtliche Urteile zu diesem Themenbereich sind bundesweit bereits ergangen.

Ist es unter Berücksichtigung der o.a. Vorgaben aus verkehrstechnischen oder baulichen Gründen nicht möglich,die für Fahrradstraßen notwendigen Fahrgassenbreiten herzustellen, den Abstand zu parkenden Fahrzeugen einzuhalten, den Durchgangsverkehr herauszuhalten oder der Fahrradstraße an der überwiegenden Mehrheit der Knotenpunkte Vorfahrt einzuräumen sowie dem Radverkehr nicht die vorherrschende Verkehrsart attestieren zu können, ist die Einrichtung einer Fahrradstraße auf bestimmten Streckenzügen nicht sinnvoll.

 

Ob all diese rechtlichen und baulichen Voraussetzungen erfüllt sind bzw. erfüllt werden können, ist ohne Durchführung von Verkehrserhebungen und Planungen eines externen Verkehrsplanungsbüros so nicht festzustellen bzw. zu bewerten.

Seitens der Verwaltung ist zumindest eine gewisse Skepsis gegeben.  Ebenso sind die hieraus entstehenden Kosten zur Umsetzung, insbesondere in baulicher Hinsicht noch nicht bezifferbar. Es ist daher nötig, ein Fachbüro mit der Verkehrsdatenerhebung, der weiteren Planung und bei Vorliegen der verkehrlichen Voraussetzungen mit der Planung zur Umsetzung der Maßnahme zu beauftragen. Die Kosten für die Einschaltung eines externen Planungsbüros zur Erstellung eines solchen Fahrradstraßen-Radverkehrskonzeptes betragen rund 19.500,--€ incl. MwSt.

 

Aufgrund des Vorhergesagten können deshalb konkrete Vorschläge zur Ausweisung von Fahrradstraßen seitens der Verwaltung noch nicht gemacht werden. Zu beachten hierbei ist ferner, dass der gesamte Straßenbereich zwischen Hauptstraße und Amselweg als sogenannte Tempo-30-Zone ausgewiesen ist. In der Vergangenheit wurde daher zu Recht argumentiert, dass sich die Verkehre auf die verschiedenen Straßen verteilen und es für die Sperrung bzw. Bevorrechtigung bestimmter Verkehrsarten einschließlich der Sperrung von Straßen es bisher keinen Handlungsbedarf gegeben hat.

 

Mittlerweile hat der Verwaltungsausschuss der Stadt Wiesmoor in seiner Sitzung am 14.06.2021 die Erstellung eines allgemeinen Radverkehrskonzeptes mit Öffentlichkeitsbeteiligung durch ein Fachbüro beschlossen. Ein solches Konzept wird in Zukunft sehr wichtig werden, um auch Fördermöglichkeiten von dritter Seite im Rahmen von Klimaschutzprogrammen etc. abrufen zu können. Da dieses Konzept auch die Beantwortung von Fragestellungen zur Einrichtung von Fahrradstraßen (siehe oben) zum Inhalt haben wird, geht die Verwaltung beim vorliegenden Antrag von einer Erledigung aus.

 

Herr Sievers, FBW, verlässt um 17:44 Uhr den Raum und betritt ihn wieder um 17:45 Uhr.

 

Nach kurzer Aussprache lässt Ausschussvorsitzender Karl-Dieter Jelken, SPD, über den Beschlussvorschlag abstimmen.


Abstimmungsergebnis: