Sitzung: 06.07.2021 Ausschuss für Wege, Straßenverkehr, Entwässerung, Umwelt- und Feuerschutz
Beschluss: Beschlossen
Abstimmung: Ja: 9, Nein: 0, Enthaltungen: 0
Vorlage: AN/206/2020
Beschlussvorschlag:
Der Antrag der SPD-Fraktion auf Ausweisung von Fahrradstraßen wird unter Berücksichtigung der Ausführungen der Verwaltung als erledigt angesehen.
Sachverhalt:
Mit Datum vom 19.10.2020 beantragt die SPD-Fraktion die Einrichtung von
Fahrradstraßen zur Anbindung der südöstlich entstehenden Wohngebiete an das
Wiesmoorer Zentrum. Hierzu soll die Verwaltung in einem ersten Schritt die
rechtlichen Rahmenbedingungen aufzeigen und Möglichkeiten zur Einrichtung von
Fahrradstraßen vorstellen. Begründet wird dieser Antrag u.a. damit, dass dem
Fahrrad unter dem Aspekt des Klimaschutzes künftig ein höherer Stellenwert
einzuräumen sei und die neu entstehenden Wohnbaugebiete südlich des Amselweges
über Fahrradstraßen an das Zentrum angeschlossen werden sollten.
Die Verwaltung nimmt hierzu wie folgt Stellung:
a)
Rechtsgrundlage
Grundlage für die Anordnung einer Fahrradstraße ist § 45 Abs. 1 bzw. § 45
Abs. 1 b Nr. 5 StVO, jeweils unter Berücksichtigung des § 45 Abs. 9 Satz StVO.
Im Verkehrszeichenkatalog wird hierzu ergänzend aufgeführt, dass anderer
Fahrzeugverkehr als Radverkehr eine Fahrradstraße grundsätzlich nicht benutzen
darf, es sei denn, dieses ist durch Zusatzzeichen erlaubt. Für sämtlichen
Fahrverkehr gilt eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h, wobei der Radverkehr
weder gefährdet noch behindert werden darf. Das Nebeneinanderfahren mit
Fahrrädern ist erlaubt, im Übrigen gelten die allgemeinen Vorschriften über die
Fahrbahnnutzung und über die Vorfahrt.
In der ergänzenden Verwaltungsvorschrift zur StVO heißt es zur
Fahrradstraße:
Fahrradstraßen kommen nur dann in Betracht, wenn der Radverkehr die
vorherrschende Verkehrsart ist (1. Alt.) oder dies alsbald zu erwarten ist (2.
Alt.).
1. Alt. (Radverkehr ist die vorherrschende Verkehrsart):
Zur Erfüllung dieser Voraussetzungen ist durch Verkehrserhebungen
nachzuweisen, dass der Radverkehr bereits die vorherrschende Verkehrsart auf
den Straßen, welche zu Fahrradstraßen ausgewiesen werden sollen, ist. Für eine
entsprechende Lenkung des verdrängten Kraftfahrzeugverkehrs ist Sorge zu
tragen. Sinnvoll ist daher vor Einrichten von Fahrradstraßen eine
zusammenhängende Planung für ein Radverkehrsnetz vorzunehmen.
2. Alt. (Es ist alsbald zu erwarten, dass der Radverkehr die
vorherrschende Verkehrsart wird):
Um diese Vorgabe zu erreichen, bedarf es einer grundsätzlichen
Radverkehrsplanung. Rechtsgrundlage für diese verkehrsplanerische Maßnahme sind
§ 45 Abs. 1 b Nr. 5 und Abs. 9 Satz 1 StVO, wonach die Straßenverkehrsbehörden
die notwendigen Anordnungen zur Unterstützung einer geordneten städtebaulichen
Entwicklung treffen. Es muss nach Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes
hierzu ein Verkehrskonzept des Straßenbaulastträgers vorliegen, dass
hinreichend konkret ist, durch das zuständige Gemeindeorgan beschlossen wurde
und soweit es die Veränderung von Verkehrsstraßen und Strömen zum Inhalt hat,
den Erfordernissen einer gerechten
Abwägung aller Verkehrsteilnehmer genügen.
Die einfache Bekundung der Gemeindegremien, eine Fahrradstraße
einzurichten oder die einfache Anordnung der Straßenverkehrsbehörde zur
Aufstellung entsprechender Beschilderungen und allein damit die Voraussetzungen
der zweiten Alternative zu erfüllen, reichen hierfür rechtlich auf keinen Fall
aus.
b) Bauliche Maßnahmen
Beschaffenheit und Zustand der Fahrradstraßen sollten so sein, dass eine
Benutzung durch den Radverkehr auch zumutbar ist. Fahrradstraßen sollten daher
über den gesamten Streckenzug möglichst einheitlich gestaltet sein. Im Zuge
einer Fahrradstraße befindliche Knotenpunkte sollten durch geeignete
Aufpflasterungen so gestaltet sein, dass in der Fahrradstraße zugelassener
kreuzender Kfz-Verkehr nur mit mäßiger Geschwindigkeit fahren kann. Beginn und
Ende einer Fahrradstraße sollten möglichst durch bauliche Gestaltungselemente
wie Aufpflasterungen oder Fahrbahnverengungen deutlich gemacht werden.
Ebenfalls ist die Aufbringung von entsprechenden Fahrbahnpiktogrammen an
Kreuzungen und Einmündungen mit in beide Fahrtrichtungen weisenden Pfeile
empfehlungswert. Die wirksamste Maßnahme sind darüber hinaus physische
Barrieren, die das ein-, aus- oder durchgehende Befahren mit Kfz an bestimmten
Stellen verhindern sollen. Die Breite der Fahrgasse für die Verkehrssicherheit
in Fahrradstraßen, vor allem bei zugelassenem Kfz-Verkehr spielt eine besondere
Rolle. Bei dessen Ermittlung sind auch am Fahrbahnrand abgestellte Fahrzeuge
mit zu berücksichtigen. Soll gewährleistet werden, dass zwei nebeneinander
fahrende Radfahrer (dieses ist nach der Definition der Fahrradstraße zulässig)
einem Pkw sicher begegnen können, so ist eine Fahrgassenbreite von mindestens
4,60 m zuzüglich der notwendigen Sicherheitsabstände zu ggf. parkenden
Fahrzeugen erforderlich.
c) Zulassung anderer Verkehrsarten
Die Entscheidung, andere Verkehrsarten zuzulassen, bedarf einer
Ermessensausübung. In der Ermessensabwägung ist insbesondere zu
berücksichtigen, dass durch die generelle Zufahrtserlaubnis für Kraftfahrzeuge
die bevorrechtigte Fahrzeugart Radverkehr gefährdet werden könnte. Hierdurch
würde das Ziel, den Radverkehr zur Hauptverkehrsart werden zu lassen,
wohlmöglich nicht erreicht. Eine generelle Zufahrtserlaubnis für Kfz sollte
daher möglichst vermieden werden. Sofern sie zur Erschließung anliegender
Straßen unbedingt notwendig ist, sollte sie ausschließlich auf Anlieger
beschränkt sein.
Kann eine Freigabe nicht vermieden werden, so ist der in der
Fahrradstraße nutzende Kfz-Verkehr stets zu minimieren. Für den Durchgangsverkehr
müsste die Verkehrsführung so unattraktiv sein, dass dieser die Fahrradstraße
meidet. Beim Ausschluss einer Verkehrsart durch Beschränkung auf den
Anliegerverkehr ist für die benachbarten Straßen aber zu bedenken, dass
hierduch eine Verlagerung der Straßenverkehre stattfinden wird, was auch in den
dortigen Straßen für Konflikte sorgen kann.
d) Fazit
Grundsätzlich sind Fahrradstraßen ein gängiges Mittel zur
innerstädtischen Radverkehrsplanung und können zur Verkehrssicherheit und zur
Attraktivierung des Radverkehrs beitragen.
Wie dargestellt, ist die rechtssichere Ausweisung von Fahrradstraßen an
die Erfüllung mehrerer gesetzlicher Vorgaben gebunden. Werden diese nicht
beachtet, setzt sich die anordnende Behörde (Stadt Wiesmoor) der Gefahr von
verwaltungsrechtlichen Klagen oder von aufsichtsbehördlichen Maßnahmen der
Straßenverkehrsbehörde des Landkreises Aurich mit der Folge der Aufhebung einer
verkehrsbehördlich angeordneten Fahrradstraße aus. Dieses ist vor geraumer Zeit
in einer Kommune der Region geschehen, Zahlreiche verwaltungsgerichtliche
Urteile zu diesem Themenbereich sind bundesweit bereits ergangen.
Ist es unter Berücksichtigung der o.a. Vorgaben aus verkehrstechnischen
oder baulichen Gründen nicht möglich,die für Fahrradstraßen notwendigen
Fahrgassenbreiten herzustellen, den Abstand zu parkenden Fahrzeugen
einzuhalten, den Durchgangsverkehr herauszuhalten oder der Fahrradstraße an der
überwiegenden Mehrheit der Knotenpunkte Vorfahrt einzuräumen sowie dem
Radverkehr nicht die vorherrschende Verkehrsart attestieren zu können, ist die
Einrichtung einer Fahrradstraße auf bestimmten Streckenzügen nicht sinnvoll.
Ob all diese rechtlichen und baulichen Voraussetzungen erfüllt sind bzw.
erfüllt werden können, ist ohne Durchführung von Verkehrserhebungen und
Planungen eines externen Verkehrsplanungsbüros so nicht festzustellen bzw. zu
bewerten.
Seitens der Verwaltung ist zumindest eine gewisse Skepsis gegeben. Ebenso sind die hieraus entstehenden Kosten
zur Umsetzung, insbesondere in baulicher Hinsicht noch nicht bezifferbar. Es
ist daher nötig, ein Fachbüro mit der Verkehrsdatenerhebung, der weiteren
Planung und bei Vorliegen der verkehrlichen Voraussetzungen mit der Planung zur
Umsetzung der Maßnahme zu beauftragen. Die Kosten für die Einschaltung eines
externen Planungsbüros zur Erstellung eines solchen
Fahrradstraßen-Radverkehrskonzeptes betragen rund 19.500,--€ incl. MwSt.
Aufgrund des Vorhergesagten können deshalb konkrete Vorschläge zur
Ausweisung von Fahrradstraßen seitens der Verwaltung noch nicht gemacht werden.
Zu beachten hierbei ist ferner, dass der gesamte Straßenbereich zwischen
Hauptstraße und Amselweg als sogenannte Tempo-30-Zone ausgewiesen ist. In der
Vergangenheit wurde daher zu Recht argumentiert, dass sich die Verkehre auf die
verschiedenen Straßen verteilen und es für die Sperrung bzw. Bevorrechtigung
bestimmter Verkehrsarten einschließlich der Sperrung von Straßen es bisher
keinen Handlungsbedarf gegeben hat.
Mittlerweile hat der Verwaltungsausschuss der Stadt Wiesmoor in seiner
Sitzung am 14.06.2021 die Erstellung eines allgemeinen Radverkehrskonzeptes mit
Öffentlichkeitsbeteiligung durch ein Fachbüro beschlossen. Ein solches Konzept
wird in Zukunft sehr wichtig werden, um auch Fördermöglichkeiten von dritter
Seite im Rahmen von Klimaschutzprogrammen etc. abrufen zu können. Da dieses
Konzept auch die Beantwortung von Fragestellungen zur Einrichtung von
Fahrradstraßen (siehe oben) zum Inhalt haben wird, geht die Verwaltung beim
vorliegenden Antrag von einer Erledigung aus.
Herr Sievers, FBW, verlässt um 17:44 Uhr den Raum und betritt ihn wieder
um 17:45 Uhr.
Nach kurzer Aussprache lässt Ausschussvorsitzender Karl-Dieter Jelken, SPD, über den Beschlussvorschlag abstimmen.
Abstimmungsergebnis: